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Thomas Hampson, © Jiyang Chen

«Ein Lied ist immer eine Insel»

Mit Thomas Hampson kommt einer der bekanntesten Sänger überhaupt zu Klosters Music und präsentiert gemeinsam mit dem Janoska Ensemble Songs aus dem «Great American Songbook». Georg Rudiger hat mit dem amerikanischen Bariton gesprochen über seine Beziehung zur Schweiz, Spontaneität in der Musik und darüber, was Tennisspielen mit Singen zu tun hat. 

Sie feiern im Sommer Ihr Debüt in Klosters. Waren Sie schon mal dort? 

Ich glaube nicht, dass ich jemals in Klosters gewesen bin. Die Schweiz aber ist mir sehr vertraut. Durch meine Arbeit an der Züricher Oper bin ich seit rund dreissig Jahren in der Schweiz zuhause. Gemeinsam mit meiner Frau bin ich viel gewandert – auf den Mythen bei Schwyz, in Interlaken oder auch im Mont Blanc-Gebiet. Die Schweizer Alpen sind wirklich etwas Besonderes.

Sie sind als Opernsänger und vor allem auch Kunstlied-Interpret bekannt. In Klosters präsentieren Sie gemeinsam mit dem Janoska Ensemble aber Songs aus dem «Great American Songbook». Wie kam es zu diesem Projekt? 

Ich bin seit Jahren mit der Janoska-Familie befreundet – auch schon während der Zeit, als Roman und František in der Formation «Philharmonics» spielten. Ihr Repertoire ist riesig und reicht von Bach bis Bernstein. Die amerikanischen Songs aus den 30er- und 40er-Jahren haben wir früh zusammen gemacht.

Welche Beziehung haben Sie selbst zu diesen Songs wie «Blue Skies» von Irving Berlin oder «Love Walked In» von George Gershwin? 

Ich bin damit aufgewachsen. Meine Mutter war in unserem kleinen Ort eine Berühmtheit als Pianistin und Sängerin – gerade mit diesem Repertoire. Um die Lieder von Cole Porter, George Gershwin oder Irving Berlin zu singen, braucht man eine Stimme mit einem grösseren Tonumfang. Auch die Janoskas lieben diese Lieder. Wir werden viel improvisieren auf der Bühne. Diese Spontaneität in der Musik ist für mich sehr bereichernd. Konzerte mit den Janoskas geben mir viel Energie für meine weitere Arbeit.

Viel Spontaneität gibt es im normalen Klassikbetrieb nicht. Vermissen Sie das? 

Ich verstehe, was Sie meinen. Ich glaube aber schon, dass auch in der klassischen Musik Spontaneität existiert. Man muss dafür die verschiedenen Stile gut kennen, um bei der Interpretation spontaner agieren zu können. Man kann und soll auch bei Schuberts «Wanderer» oder seinem «Erlkönig» Spontaneität einbeziehen. Ohne sie ist Musik ziemlich fad.

George Gershwin hat über Irving Berlin gesagt, er sei Amerikas Franz Schubert. Was könnte er damit gemeint haben? 

Liederkomponist und Songwriter sind gar nicht so weit voneinander entfernt. Wir lieben Franz Schubert, weil er das menschliche Leben in seiner Musik widerspiegelte: ein rauschender Bach, ein galoppierendes Pferd oder das gleichmässige Schnurren eines Spinnrades. Das hat eine neue Welt geöffnet. Diese spezielle Verbindung von Text und Musik findet man auch heute noch in Liedern von Sting oder Paul Simon. Ein Lied ist immer eine Insel mit einer eigenen Welt.

Normalerweise gibt es zwischen Pop- oder Jazzgesang und Operngesang einen grossen Unterschied. Wie werden Sie diese Lieder singen?

Das ist eine sehr gute Frage. Meinen Schülerinnen und Schülern sage ich immer: Was auch immer du singst – Johann Sebastian Bach, Cole Porter oder Sting – du singst Musik, die zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Stil aufgeschrieben wurde. Und meine Aufgabe als Interpret ist es, diesen Kontext zu kennen und mich mit meiner Stimme und die Art des Singens anzupassen. Im Tennis gibt es Betonplätze, Aschenplätze oder Rasen. Das Tempo ist anders, der Absprung des Balles ist unterschiedlich, der Spin variiert – aber alles ist Tennis.

Viele der Songs aus dem Great American Songbook wurden in der sogenannten Tin Pan Alley komponiert – einem Häuserblock in der 28. Strasse in Manhattan. Dort waren in den 20er und 30er-Jahren die wichtigsten Musikverlage konzentriert. Sie haben aber auch Lieder von Kurt Weill im Programm, die noch eine andere Farbe haben. Was schätzen Sie an Werken wie der «Dreigroschenoper», der einige Songs aus dem «Mack-The-Knife» Medley entnommen sind?

Kurt Weill war ein Genie – ich liebe seine Musik über alle Perioden seines Lebens. Als Amerikaner bin ich ihm ewig dankbar, dass er gezeigt hat, wie man soziale Themen ins Musiktheater bringen kann wie bei seinen Musicals «Love Life» oder «Lost In The Stars». Er hat gezeigt, dass Musiktheater auch ein Labor des menschlichen Zusammenlebens sein kann und nicht nur reine Unterhaltung. Das war auch wichtig für spätere Musicalkomponisten wie Oscar Hammerstein oder Stephen Sondheim. Die von der Neuen Sachlichkeit geprägten Lieder von Kurt Weill nach Gedichten von Bertolt Brecht sind ungemein prägnant und eingängig. «Mackie Messer» war auch in den USA ein riesiger Hit. Wir machen unsere eigene Version davon in zwei Sprachen, mit einem effektvollen Tempowechsel und mit viel Improvisation.

Das Janoska Ensemble ist mit der Besetzung zwei Violinen, Klavier und Kontrabass keine Jazzband. Warum passt das zu dieser Musik? 

Ein typisches Jazztrio besteht aus Klavier, Kontrabass und Schlagzeug – zwei dieser Instrumente sind dabei. Mit den beiden Violinen gibt es wirklich eine besondere Note. Die Melodien werden kunstvoll verteilt. Und ich darf ein Teil davon sein.

Sie haben das Programm schon einmal in ähnlicher Weise bei einer Silvestergala im Wiener Konzerthaus aufgeführt. Was darf das Publikum am Schweizer Nationalfeiertag erwarten? 

Freude und unbändige Musizierlust. Die Lieder sind richtige Ohrwürmer. Diese Familie im Konzert zu erleben, ist ein Ereignis. Wir werden das Konzert auch moderieren. Der Rahmen ist also ganz locker und familiär, passt also gut für die ganze Familie.