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Ben Goldscheider, © Kaupo Kikkas

«Horn zu spielen ist für mich ein Traum»

Ben Goldscheider ist der Solist in Mozarts 4. Hornkonzert in Es-Dur KV 495, das beim Konzert mit dem Münchener Kammerorchester am 3. August auf dem Programm von Klosters Music steht. Der Engländer hat schon mit bedeutenden Orchestern wie dem BBC Symphony Orchestra oder dem City of Birmingham Orchestra gespielt. Georg Rudiger hat sich mit dem sympathischen Engländer unterhalten über tägliches Üben, seine Anfänge in einer englischen Brassband und über Mozarts Genialität.

Sie kommen im Sommer zum ersten Mal nach Klosters. Kennen Sie die Schweizer Alpen?

Ich war schon auf dem Matterhorn und habe beim Verbier Festival gespielt.

Wie hat Ihnen die Berglandschaft gefallen?

Wenn ich die Wahl habe zwischen Meer oder Berge, würde ich immer die Berge nehmen. Sind so majestätisch. Auch das Alphorn mag ich sehr, das in den Bergen gespielt wird. Viele Komponisten haben sich davon beeinflussen lassen wie zum Beispiel Johannes Brahms in seiner ersten Sinfonie, wenn das Horn diese wunderbare Alphornmelodie spielt, die er im Sommerurlaub in den Schweizer Alpen gehört hat.

Mit dem Horn ist bei Klosters Music zum ersten Mal überhaupt ein Blasinstrument in einem Solokonzert zu hören. Was mögen Sie an Ihrem Instrument?

Horn zu spielen ist für mich ein Traum. Und es freut mich sehr, dass ich das Instrument in Klosters vorstellen kann. Ich betrachte es als meine Aufgabe, das Horn im Musikleben noch präsenter und selbstverständlicher werden zu lassen. Und möchte zeigen, wie schön der Hornklang ist und wie vielfältig das Instrument eingesetzt werden kann.

Und was mögen Sie nicht?

Es gibt nichts, was ich nicht mag. Es ist ein sehr schwieriges Instrument. Wenn ich zwei Tage nicht übe, merkt es mein musikalischer Partner. Bei drei Tagen das Publikum. Es erfordert viel Arbeit, in Form zu bleiben. Wenn man einen Fehler macht oder der Ton nicht anspricht, wenn das Horn kiekst, dann ist es sehr auffällig. Das könnte man als Nachteil betrachten, aber für mich bedeutet das eine Herausforderung.

Und ist das nicht belastend, immer üben zu müssen und die Lippen zu trainieren?

Auch in den Ferien spiele ich jeden Tag zumindest eine halbe Stunde. Normalerweise übe ich drei bis vier Stunden am Tag. Das ist wirklich notwendig, um mein Niveau zu halten. Ich spiele an einem Tag ein Mozart-Konzert, am nächsten das Trio von György Ligeti, dann ein zeitgenössisches Werk – das erfordert grosse Flexibilität. Aber ich liebe das.

Ich habe über Sie gelesen, dass Sie bis zu Ihrem 13. Lebensjahr Fussball gespielt haben und dann das Horn für sich entdeckten. Stimmt das so?

Ich habe bereits mit 9 Jahren begonnen, Horn zu spielen. Meine beiden Eltern sind professionelle Musiker, so dass Musik bei uns in der Familie die selbstverständlichste Sache der Welt war. Aber im Alter von 13 entschied ich, dass ich der beste Hornist der Welt sein wollte (lacht). Von da an habe ich mich ganz dem Horn verschrieben.

Und Fussball haben Sie in einem Verein gespielt?

Ich war in der Akademie von Tottenham Hotspur.

Haben Sie ganz aufgehört mit dem Fussballspielen?

Von einem Tag auf den anderen. Die Motivation zu etwas kam immer von mir selbst. Meine Eltern unterstützten mich in allem, was ich tat, aber forcierten nichts. Sie haben einfach eine freie Atmosphäre geschaffen, in der ich auch experimentieren konnte. Dafür bin ich sehr dankbar.

Dann hat die Leidenschaft, Horn zu spielen, die Freude am Fussball ganz ersetzt?

Sie ist noch stärker. Ich habe nie das Gefühl zu arbeiten, wenn ich ein Konzert spiele. Ich empfinde es nach wie vor als ein grosses Privileg, ganz meiner Leidenschaft nachgehen zu können.

In der Schweiz lernte man oft in der Blaskapelle, Horn zu spielen. Haben Sie in einer Blaskapelle gespielt?

Die englischen Brass Bands sind berühmt. Ich begann meinen Hornunterricht an einem Samstagmorgen bei einem Trompetenlehrer, der mich mit zur Probe der Blaskapelle nahm. Dort musste ich die Tenorhornnoten von Es nach F transponieren. Ich bin jede Woche in die Probe gegangen und war für ein paar Jahre ganz in dieser Brassband-Welt.

Die meisten Hornisten haben eine feste Stelle in einem Orchester. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Ich liebe es, im Orchester zu spielen und habe das früher oft gemacht. Ich möchte mich aber dem Horn als Soloinstrument widmen und es als solches einem breiten Publikum vorstellen. Ich möchte auch zeitgenössische Werke in die Konzertprogramme bringen. Aber Sie haben Recht – sicherlich spielen 99 Prozent aller professionellen Hornistinnen und Hornisten in einem Orchester. Aber die Pandemie hat etwas verändert. Wir mussten spontaner reagieren und besondere Konzertformate schaffen. Auch die Rolle der Musikerinnen und Musiker in der Gesellschaft hat sich geändert. Dieses Jahr habe ich mehr als 100 Konzerte als Hornist in einem Solo- oder Kammermusikrahmen. Ich habe auch schon rund 50 Werke für Horn bei Komponistinnen und Komponisten in Auftrag gegeben.

Aber im West-Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim spielen Sie schon, oder?

Ich habe 2016 an der Barenboim-Said-Akademie in Berlin studiert und war von Beginn an erster Hornist des Orchesters. Hier habe ich alle Projekte mitgemacht.

Sie haben es schon erwähnt, dass Sie viel zeitgenössische Musik spielen. Ist das eine Spezialität von Ihnen?

Spezialist für zeitgenössische Musik bin ich nicht, weil ich als Hornist ganz unterschiedliches Repertoire spiele. Aber ich habe schon einen besonderen Fokus auf Neue Musik gelegt, weil ich es sehr aufregend finde. Häufig kombiniere ich auch ein klassisches Konzert und ein zeitgenössisches Werk an einem Abend, um verschiedene Seiten des Horns zu zeigen.

In Klosters spielen Sie nur ein klassisches Werk. Mozart hat insgesamt vier Hornkonzerte geschrieben. Was ist besonders an dem vierten Konzert in Es-Dur, das Sie beim Festival interpretieren werden?

Es ist sicherlich das berühmteste und auch das schwierigste der vier Konzerte. Dennis Brains Aufnahme davon mit Herbert von Karajan ist sehr bekannt – das britische Duo Flanders and Swann hat auf den dritten Satz einen lustigen Text geschrieben. Das vierte Konzert ist gross und majestätisch. Der erste Satz ist wirklich virtuos mit vielen Sechzehntelläufen, was für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich war. Nach der wunderbaren Romanze ist das Rondo ein echtes Jagdstück – man hört die galoppierenden Pferde und die Fanfaren der Jäger.

Was mögen Sie ganz allgemein an Mozarts Musik?

Man kann seine Musik auf ganz unterschiedliche Weise spielen. Er war ja selbst ein grossartiger Interpret. Bei Mozarts Musik gibt es so viel Raum. Sein musikalisches Material hat eine enorme Flexibilität. Die harmonische Sprache und formale Struktur von 90 Prozent seiner Musik sind relativ einfach und zugänglich. Aber die 10 Prozent, in denen er etwas völlig Überraschendes macht, sind magisch. Diese geniale Mischung macht Mozart aus. Deshalb hat seine Musik die Jahrhunderte überlebt und strahlt noch heute.


LEUCHTENDE VORBILDER

03. August, 19.00 Uhr, Konzertsaal, Arena Klosters
Ben Goldscheider (Horn), Christopher Koncz (Leitung), Münchener Kammerorchester