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Maxim Emelyanychev, © Andrej Grilc

«Ich wollte immer schon Dirigent werden»

Maxim Emelyanychev stand schon am Pult der Berliner Philharmoniker und des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Als Chefdirigent leitet er das Originalklang-Ensemble Il Pomo d’Oro und das in Edinburgh ansässige Scottish Chamber Orchestra. Nun feiert der Russe (Jahrgang 1988), der sich in einer offiziellen Erklärung deutlich vom Ukrainekrieg distanziert hat, am Eröffnungswochenende (27. und 28. Juli 2024) mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen sein Debüt bei Klosters Music. Georg Rudiger sprach mit ihm über den Reiz von Kammerorchestern, seinen Zugang zu Mozart und sein Dirigierdebüt mit zwölf Jahren. 

Sie wären schon zweimal beinahe zu Klosters Music gekommen. 2021 mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und 2022 als Ersatz für Riccardo Minasi beim Münchener Kammerorchester. Aus verschiedenen Gründen hat das leider nicht geklappt. Diesen Sommer dirigieren Sie beim Eröffnungswochenende die beiden Konzerte mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Mit welchen Gefühlen schauen Sie auf diese Konzerte? 

Ich freue mich sehr darauf und bin gespannt. Es ist nicht nur mein Debüt bei Klosters Music, sondern ich werde auch zum ersten Mal mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen zusammenarbeiten. Ich kenne das Orchester von vielen Aufnahmen und mag seinen Klang, die Flexibilität und seine grosse Persönlichkeit. Ich liebe es grundsätzlich, mit Kammerorchestern zu arbeiten.

Auch bei romantischem Repertoire wie in Klosters?  

Ja, das ist wunderbar, wenn wir eine noch etwas grössere Besetzung haben. Die Transparenz und Durchhörbarkeit, die ich von einem Kammerorchester gewohnt bin, bleibt dabei aber gleich. Übrigens waren die Orchester im 19. Jahrhundert viel kleiner besetzt als heute. Damit sind wir also auch näher am Original.

Waren Sie schon mal zuvor in Klosters oder überhaupt in den Schweizer Alpen? 

Nein, auch dies wird das erste Mal für mich sein. Ich freue mich sehr darauf.

Mit Ihrem Kammerorchester Il Pomo d’Oro, das Sie seit 2016 als Nachfolger von Riccardo Minasi leiten, nehmen Sie gerade alle Sinfonien von Wolfgang Amadeus Mozart auf. Was ist für Sie wichtig, wenn Sie Mozarts Musik interpretieren? 

Ich bin mit Mozarts Musik sehr vertraut, da ich sie schon als Kind gespielt habe. Ich verbinde bei unserem Mozartprojekt mein Wissen um historische Aufführungspraxis mit neuen Ideen. Auf jeder CD kombinieren wir zwei ganz unterschiedliche Sinfonien mit einem Bonustrack: ein Klavierkonzert, ein Oboenkonzert und so weiter.

Im Eröffnungskonzert von Klosters Music am 27. Juli wird Alina Ibragimova Mozarts Violinkonzert Nr. 3 in G-Dur interpretieren. Auch sie ist sehr vertraut mit historischer Aufführungspraxis. 

Ich habe mit Alina schon mehrere Mal zusammengearbeitet. Auch Mozart haben wir schon zusammengespielt: das Violinkonzert Nr. 5. Sie spielt sehr lebendig und improvisiert auch auf der Bühne. Diese Spontaneität schätze ich sehr. Sie verbindet herausragende technische Möglichkeiten mit einem tiefen Werkverständnis.

Antonin Dvořáks Sinfonie «Aus der Neuen Welt» im gleichen Programm ist ein völlig anderes Werk. Was mögen Sie an dieser Musik? 

Auch diese Komposition ist ein Meisterwerk. Mit einem Kammerorchester habe ich die Sinfonie noch nie interpretiert. Da werden die Linien noch klarer und die musikalischen Ideen noch greifbarer. Ich freue mich auf den wunderbaren langsamen Satz mit dem fantastischen Englischhornsolo.

Sie sind selbst ein erfahrener Pianist und Cembalist. Bei Teodor Currentzis‘ Aufnahmen der da-Ponte-Opern von Mozart haben Sie den Hammerklavierpart übernommen. Im zweiten Konzert des Eröffnungswochenende wird Jan Lisiecki Edvard Griegs Klavierkonzert spielen. Kennen Sie sich persönlich? 

Wir haben uns bislang nie getroffen, aber ich kenne sein Klavierspiel – und das mag ich sehr. Er hat viele frische Ideen und einen hellen, poetischen Klavierklang. Das ist perfekt für dieses romantische Konzert von Grieg.

Sie feierten bereits im Alter von zwölf Jahren Ihr Debüt als Dirigent mit einem Orchester. Das ist sehr ungewöhnlich. Warum haben Sie schon so früh begonnen zu dirigieren? 

Ich wollte immer schon Dirigent werden, auch schon als Kind. Ich komme aus einer Musikerfamilie und war schon als kleines Kind bei Proben und Konzerten meiner Eltern dabei. Ich habe früh Klavier gespielt und in einem Chor gesungen. Mein erster Dirigierlehrer meinte sogar, mit zwölf Jahren wäre man spät dran, um mit dem Dirigieren zu beginnen. Die Technik kann man früh lernen. Je früher, desto besser.

Hatten Sie keine Autoritätsprobleme beim Orchester? 

Man muss das Orchester überzeugen. Nicht mit Kraft oder einem Machtanspruch, sondern mit seinen Fähigkeiten und musikalischen Ideen.

Was ist befriedigender für Sie? Klavierspielen oder Dirigieren? 

Das sind sehr unterschiedliche Tätigkeiten, aber das eine hilft dem anderen. Ich habe sehr oft Klavier im Orchester gespielt und vom Klavier oder Cembalo aus ein Orchester geleitet. Ich spiele auch viele andere Instrumente, wie zum Beispiel Flöte, Horn und Kornett. Kürzlich habe ich bei einem Konzert mit meinem Scottish Chamber Orchestra sechs verschiedene Instrumente gespielt. Das hat grossen Spass gemacht.