«Kein Mensch kann das Land so lieben wie ich»
«Sehnsucht Natur. Musical Landscapes» ist das diesjährige Motto von Klosters Music. In unserer Serie «Natur in der Musik» hört Georg Rudiger ein wenig genauer hin. Heute: Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 6 «Pastorale»
«Zu besserem Verständnis werde gesagt, dass wir uns in Beethoven einen Menschen vorzustellen haben, in welchem sich die äussere Natur völlig personifiziert hat», schreibt Anton Schindler, Beethovens Sekretär und erster Biograph. «Nicht ihre Gesetze, vielmehr die elementare Naturmacht hatte ihn bezaubert, und das einzige, was ihn in seinem wirksamen Genuss der Natur beschäftigte, waren seine Empfindungen.» In seiner 6. Sinfonie «Pastorale» ist Beethovens starke Beziehung zur Natur besonders eindrucksvoll zu erleben. Schon der Titel des ersten Satzes – «Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande» – erzählt von aussermusikalischen Einflüssen der im idyllischen Heiligenstadt am Stadtrand von Wien entstandenen Sinfonie. Eine weite, freundliche Landschaft entsteht vor dem inneren Auge.
Im zweiten Satz spielen die Streicher mit Dämpfer, was hier einen geheimnisvollen, fast unwirklichen Klang ergibt. «Szene am Bach» heisst der Titel dieses Andante con moto – die Sechzehntel der Geigen erinnern an ein sanftes Plätschern eines Baches. In der Coda zwitschern eine Nachtigall (Flöte), eine Wachtel (Oboe) und ein Kuckuck (Klarinette) um die Wette. Der mit nervösen Vierteln startende dritte Satz («Lustiges Zusammensein der Landleute») sorgt für einen ersten Stimmungswechsel. Die Steigerungen führen zu stampfenden Volkstänzen und kräftigem Hörnerschall. Attacca, ohne Pause beginnt der vierte Satz («Donner. Sturm») mit einem unheimlichen Tremolo in den Bässen und panischen Achteln in den zweiten Violinen, ehe ein einbrechendes Orchestertutti mit vollem Blech und Paukenwirbel Schrecken verbreitet. Einzelne Paukenschläge klingen wie Donner, die hohen Nachschläge in den Holzbläsern erinnern an Blitze.
Im Finale sind dann alle Spannungen vergessen. «Hirtengesang. Wohltätige, mit Dank an die Gottheit verbundene Gefühle nach dem Sturm» steht programmatisch über dem Satz. Der anfänglich noch zarte Dank entwickelt sich zum kräftigen Jubel. Die Natur wird zur Quelle der tiefen Freude. Alle Gefahren, alle Sorgen sind vergessen. Welche Kraft Beethoven selbst aus der Natur schöpft, verrät er in einem Brief aus dem Jahr 1810: «Wie froh bin ich einmal in Gebüschen, Wäldern, unter Bäumen, Kräutern, Felsen wandeln zu können, kein Mensch kann das Land so lieben wie ich – geben doch Wälder, Bäume, Felsen den Widerhall, den der Mensch wünscht.»
Samstag, 5. August 2023, 19:00 Uhr, Konzertsaal, Arena Klosters
Tarmo Peltokoski (Leitung), Sharon Kam (Klarinette),
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Felix Mendelssohn Bartholdy (Konzertouvertüre «Die Hebriden», op. 26)
Wolfgang Amadeus Mozart (Konzert für Klarinette und Orchester in A-Dur, KV 622)
Ludwig van Beethoven (Sinfonie Nr. 6 in F-Dur «Pastorale», op. 68)