«Direkt unter die Haut»
Christian Erny ist Gründer und musikalischer Leiter der Zurich Camber Singers. Georg Rudiger hat ihm einige Fragen gestellt.
Die Zurich Chamber Singers feiern dieses Jahr ihr 10-jähriges Bestehen. Mit welcher Absicht haben Sie den Chor im Jahr 2015 gegründet?
Die Idee, einen professionellen Chor zu gründen, hat mich schon während meiner Studienzeit begleitet. Mein Grundgedanke war von Anfang an klar: Ich wollte sinnstiftende Programme gestalten, die das traditionelle Chorrepertoire mit neuer Musik verbinden. Ausserdem war es mein Ziel, einen Chor aufzubauen, der flexibel wachsen kann – vom kleinen Vokalensemble bis hin zum voll besetzten Konzertchor, um so die gesamte Bandbreite von der Renaissancemotette bis zum chorsinfonischen Werk abdecken zu können.
Was macht den Chor aus?
Uns allen ist wichtig, dass Musik wirklich etwas vermittelt. Der Chor zeichnet sich seit jeher durch grosse Singfreude aus – und durch klug durchdachte Programmkonzepte, die das Publikum auf verschiedensten Ebenen abholen sollen. Seit den Anfängen prägt uns eine Atmosphäre, die zugleich freundlich und warm, aber auch von einem hohen Anspruch an musikalische Qualität bestimmt ist. Dieser Geist ist bis heute lebendig und treibt uns immer wieder neu an. Ein Prinzip bei der Besetzung ist für mich nach wie vor entscheidend: Ich setze möglichst schlank, aber mit kräftigen Stimmen, sodass ein heller, transparenter und dennoch kraftvoller Klang entsteht, der für uns charakteristisch geworden ist.
Die Dramaturgie Ihrer Konzertprogramme ist Ihnen wichtig. Wo sehen Sie den roten Faden beim Konzert in Klosters, das Werke von Palestrina, Bach, Bruckner, Mendelssohn Bartholdy und dem zeitgenössischen Komponisten Paul Mealor kombiniert?
Auf den ersten Blick wirken diese Werke vielleicht sehr unterschiedlich: Palestrina steht für die Renaissance, Bach für den Barock, Mendelssohn und Bruckner für die Romantik, und Paul Mealor ist ein zeitgenössischer Komponist. Doch für mich gibt es eine klare innere Verbindung. Mendelssohn wie auch Bruckner waren stark von der Musik der Renaissance und des Barock geprägt. Auch wenn ihre Klangsprache natürlich anders ist, liegt die «DNA» ihrer Musik tief in der kontrapunktischen Tradition von Palestrina und Bach.
Paul Mealor, der vor allem für seine geistliche Chormusik bekannt ist, schöpft ebenfalls aus dem Fundus alter Musik. Sein Werk «Ubi Caritas» zitiert eine gregorianische Melodie, die schon viele Komponisten vor ihm aufgegriffen haben. Dadurch fügt er sich wunderbar in dieses Programm ein – weil ihn, wie auch die anderen Komponisten, eine gemeinsame musikalische Grammatik verbindet.
Die Motetten von Anton Bruckner haben Sie auch auf CD aufgenommen. Was fasziniert Sie an dieser Musik?
Mich beeindruckt bei Bruckner, wie fein, genau und präzise er komponiert. Seine Motetten sind komplex und zeigen den enormen Anspruch, den er an sich selbst hatte: innovativ zu sein und zugleich eine tiefe Verbindung zur musikalischen Vergangenheit zu pflegen.
Trotz aller kompositorischen Raffinesse wirkt seine Musik nie akademisch, sondern berührt auf eine schlichte, unmittelbare und dadurch umso tiefere Weise. Für mich war es eine grosse musikalische Reise, seine lateinischen Motetten auf CD aufzunehmen
Bei einigen Werken wie den Motetten von Bach und Mendelssohn Bartholdy wird der Chor vom Organisten Christian Schmitt begleitet. Was schätzen Sie an ihm?
Christian Schmitt wird zum ersten Mal mit uns zusammenarbeiten, und ich freue mich sehr auf die Begegnung. Schön finde ich auch, dass wir nicht nur gemeinsam musizieren, sondern ihn auch solistisch erleben werden. Ich schätze ihn als äusserst vielseitigen und offenen Musiker – und bin gespannt darauf, was wir in diesen Werken zusammen entdecken können.
Was erwartet das Publikum bei diesem Konzert?
Berührende Chormusik aus vier Epochen, schlank besetzt mit herausragenden jungen Sängerinnen und Sängern – im Dialog mit einem Spitzenorganisten in einem wunderbaren Raum. Musik, die auf schlichte, direkte und zutiefst menschliche Weise unter die Haut geht.