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Onofri Enrico © Florian Ganslmeier

Mythen und Legenden:
Die Geschichten hinter der Musik

Musikwissenschaftler Georg Rudiger hat sich das Programm von Klosters Music genauer angehört. Heute: Joseph Haydns «Nelson»-Messe und Ludwig van Beethovens Ouvertüre zu «Coriolan» (Eröffnungskonzert).

Das Kyrie beginnt düster. Trompeten und Pauken spielen einen Fanfarenrhythmus auf einem Ton. Dazu erklingen schroffe Akkorde in den Streichern. Die am 31. August 1798 vollendete Messe Hob. XXII: 11 von Joseph Haydn in d-Moll heisst eigentlich «Missa in angustiis», also «Messe in Bedrängnis». Sie entstand in der Zeit der napoleonischen Kriege. Bekannter ist Haydns 40-minütiges Werk aber unter dem Namen «Nelson»-Messe. Der britische Admiral Horatio Nelson hatte die französischen Truppen im August 1798 in der Seeschlacht bei Abukir (Ägypten) vernichtend geschlagen und kam auf dem Heimweg zwei Jahre später auch im burgenländischen Eisenstadt vorbei, wo Joseph Haydn die Messe für seinen Auftraggeber Fürst Esterhazy komponiert hatte und den Kriegshelden nun persönlich traf. Ob Haydn bei der Komposition schon von Nelsons Sieg wusste, ist mehr als fraglich. Im Übergang vom Benedictus zum Osanna klingt die Messe für ein paar Takte jedenfalls militärisch und triumphal, wenn die Fanfaren des Beginns in den Trompeten triolisch zurückkehren und die Pauken den markanten Rhythmus mitschlagen.

Kriegerisch geht es auch in Ludwig van Beethovens 1807 komponierter «Coriolan»-Ouvertüre zu. Das gleichnamige Drama von Heinrich von Collin (1802) erzählt vom verstossenen römischen Feldherrn Gnaeus Marcius Coriolanus, der aus Rache mit einem feindlichen Heer in seine Heimatstadt Rom zurückkehrt und dort gegen die Plebejer kämpft. Nur seine Frau und seine Mutter können ihn von seiner Vergeltung abhalten – am Ende stürzt er sich in das eigene Schwert. Beethoven hat seine Ouvertüre in Sonatenform komponiert, aber die Coriolan-Geschichte kann man auch hören. Die schroffen Akkordschläge zu Beginn verdeutlichen den grimmigen Charakter des Patriziers, das erste Thema mit seinen unruhigen Achteln und den eingestreuten Generalpausen schafft eine bedrohliche Atmosphäre. Die Sanftheit der ihn beruhigenden Frauen findet man im Legato-Thema der Streicher, das später auch von den Holzbläsern veredelt wird. Die Ouvertüre schwankt zwischen Erregung und Beruhigung, zwischen Schroffheit und Kantabilität, ehe das Unruhe stiftende erste Thema am Ende alle Energie verliert. Drei Herzschläge, zu hören in den Pizzicati der Streicher – und die Ouvertüre ist zu Ende. Und Coriolan tot.