© Marcel Giger
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Von zwitschernden Vögeln und polternden Gewittern

In unserer neuen Serie «Natur in der Musik» hört Georg Rudiger ein wenig genauer hin. Heute: Antonio Vivaldis «Quattro Stagioni (Vier Jahreszeiten)»

«Der Frühling ist gekommen, und freudig begrüssen ihn die Vögel mit heiterem Gesang, und die Ströme fliessen mit süssem Murmeln zu den leise wehenden Zephirwinden», schreibt Antonio Vivaldi in der ersten Strophe seines Sonetts «Frühling», das dem gleichnamigen Opus 8/1 vorangestellt ist. Gleich im ersten Soloteil kommen zur Solovioline zwei solistische Violinen hinzu, die neben den Trillern mit schnellen Wechselnoten weitere Vogelstimmen imitieren. Der durchgehende Puls des Satzes hört hier auf zu schlagen. Die Natur hat ihre eigenen Gesetze, ehe mit dem Tuttieinsatz und den klar markierten Vierteln im Bass wieder das Ritornellthema zurückkehrt. Auch die zarten Winde sind in den Legatosechzehnteln der Violinen zu vernehmen. Plötzlich ändert sich die Stimmung, wenn Donner und Blitz in Form von schnellen Tonwiederholungen der Begleitung und emporschiessenden Figuren der Solovioline die Idylle zerstören. Die einzelnen programmatischen Hinweise hat Vivaldi direkt in die Partitur geschrieben – wie auch den bellenden Hund im zweiten Satz in der schön stupiden Violastimme, über die die Solovioline die weit gespannte Kantilene des schlafenden Ziegenhirten entspannt.

Müde Glieder, umherschwirrende Fliegen 

Im «Sommer» findet Vivaldi noch stärkere Kontraste zwischen Ruhe und Erregung. «In der Glut der Sonne ermatten Mensch und Tier, und die Pinien verdorren. Der Kuckuck erhebt seine Stimme, und bald schon fallen Taube und Stieglitz in seinen Gesang mit ein», lauten die ersten Zeilen des Gedichts. Nach einer sanften Einleitung im Pianissimo, die die Sommerhitze widerspiegelt, bricht die Solovioline regelrecht ein mit spektakulären Oktavsprüngen und schnellen Tonwiederholungen. Sturm oder Hagelschauer? Das bleibt offen – jedenfalls ist plötzlich viel Energie in der allgemeinen Ermattung zu spüren. Im zweiten Satz wechselt Vivaldi stets zwischen Adagio und Presto, was zum einen die müden Glieder des Hirten, zum anderen die umherschwirrenden Fliegen musikalisch umschreibt. Ein hitziges Sommergewitter mit virtuosen Läufen in der Solovioline beendet diese Jahreszeit.

Mit klappernden Zähnen 

Auch «der Herbst» hat seine Reize mit Tanz, Gesang und einer fröhlichen Jagd. «Der Winter» zeigt sich von seiner kratzbürstigen Seite mit klappernden Zähnen, heftigen Eisstürmen, aber auch einer tiefen Ruhe im zweiten Satz, in dem die Pizzicati der Violinen Regentropfen nachbilden. Die deutsche Geigerin Arabella Steinbacher wird gemeinsam mit der Kammerakademie Potsdam das Publikum bei diesem Spazierjahrgang durch die verschiedenen Jahreszeiten bei der Hand nehmen und zeigen, welche unterschiedliche Formen und Stimmungen die Natur ausbilden kann – und auf welch geniale Weise Antonio Vivaldi dies in Musik umgewandelt hat.

 


 

Vier Jahreszeiten
Arabella Steinbacher (Violine), Kammerakademie Potsdam
Vivaldi («Vier Jahreszeiten»), Mendelssohn (Streichersinfonie Nr. 12),
Bach (Brandenburgisches Konzert Nr. 5)

Donnerstag, 3. August 2023, 19:00 Uhr, Konzertsaal, Arena Klosters