Sharon Kam, © Nancy Horowitz
Sharon Kam, © Nancy Horowitz

Sanft und innig, keck und frech
– die Klarinette sei wie sie selbst, sagt Sharon Kam.

Anstelle von Andreas Ottensamer spielt die 1971 in Haifa geborene deutsch-israelische Klarinettistin am 5. August 2023 in Klosters Mozarts berühmtes Klarinettenkonzert. Georg Rudiger sprach mit ihr über ihre musikalischen Anfänge in Israel, den Gewinn des ARD-Musikwettbewerbs und über ein ganz spezielles Instrument. 

Mit dem Klarinettenkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart, das Sie am 5. August in Klosters spielen werden, hatten Sie im Alter von 15 Jahren Ihr Orchesterdebüt. Und das gleich mit dem Israel Philharmonic Orchestra unter Zubin Mehta. Wie kam es zu diesem Konzert mit einem solch renommierten Klangkörper und weltbekannten Dirigenten? 

Wir haben in Israel ein System wie «Jugend musiziert» in Deutschland, bei dem es Vorspiele gibt und Preise an junge Musikerinnen und Musiker vergeben werden. Zubin Mehta war immer interessiert an musikalischen Talenten. Ich wurde ihm nach diesem Wettbewerb als Solistin vorgeschlagen. Meine Mutter, die im Israel Philharmonic Orchestra Bratsche spielte, wollte ihn nicht fragen. Beim Konzert sass sie wie auch mein Lehrer, der Soloklarinettist des Orchesters, im Publikum. In der Folgezeit hat mich Zubin Mehta immer wieder eingeladen.

 

Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Auftritt? 

Ich war natürlich nervös und hatte ein wenig Angst, ob wir nach dem langsamen Satz das richtige Tempo für das Rondofinale erwischen. Wir haben ja kaum geprobt. Die Aufmerksamkeit des Orchesters und des Dirigenten im Konzert war aber so hoch, dass ich während des Spielens eine unglaubliche Sicherheit bekam. Deshalb konnte ich das Konzert wirklich geniessen.

 

Sie haben erst mit 12 Jahren mit der Klarinette angefangen, nachdem Sie zuvor Klavier und Blockflöte gespielt haben. Das ist ungewöhnlich spät. Warum waren Sie dann so schnell so weit auf Ihrem Instrument? Haben Sie so viel geübt?

Das war Liebe auf den ersten Blick. Geübt habe ich nicht übermässig viel, konnte aber natürlich schon Noten lesen, hatte ein absolutes Gehör und auch schon eine Musiktheorieausbildung. Ich war bereits Musikerin, hatte aber mein Instrument noch nicht gefunden. Mit der Klarinette habe ich dann sehr schnell Fortschritte gemacht.

 

Sie haben eine besondere Beziehung zur Klarinette. Das Instrument sei Ihre Stimme, sagten Sie einmal in einem Interview. Sehen Sie auch Parallelen zu Ihrer Persönlichkeit? 

Auf jeden Fall. Die Klarinette kann sanft sein und sehr innig, auch überlegt und philosophisch. Sie ist aber auch sehr frech und keck, sogar laut und kann fast hysterisch klingen. Sie hat sehr viele Facetten. Diese ganz unterschiedlichen Arten, Klänge auf der Klarinette zu erzeugen, passen sehr gut zu meiner Persönlichkeit. Auf der Blockflöte beispielsweise hatte ich nicht diese Bandbreite im Ausdruck.

 

Nach einem vierjährigen Studium in New York an der Julliard School gewannen Sie den ARD- Wettbewerb in München. Welche Rolle spielte dieser wichtige Preis für Ihre grosse internationale Karriere?

Ich hatte schon in New York eine Agentur und einige Konzerte gespielt. Der internationale ARD-Wettbewerb 1992 war mein erster Wettbewerb überhaupt. Mein Lehrer Charles Neidich hatte mich gedrängt, daran teilzunehmen. Durch den Gewinn des 1. Preises wurde ich in Deutschland schlagartig bekannt – das Preisträgerkonzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wurde am Sonntagmorgen um 11 Uhr live im Fernsehen übertragen, nach der «Sendung mit der Maus» (lacht). Meinen Auftritt haben sehr viele musikinteressierte Menschen gesehen, auch Agenten, Intendanten und Konzertveranstalter. Der ARD-Wettbewerb hat mir eine grosse Tür aufgemacht. Ausserdem war die Klarinette durch Sabine Meyer schon prominent als Konzertinstrument eingeführt. Das Publikum hatte Lust auf das Instrument. Und zeigte grosses Interesse an mir und meinem Spiel.

 

Sie haben im Laufe Ihrer Karriere mit vielen renommierten Orchestern gespielt wie dem Gewandhausorchester Leipzig oder dem London Symphony Orchestra. Nach Klosters kommen Sie mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter ihrem ersten Gastdirigenten Tarmo Peltokoski. Was verbinden Sie mit diesem Orchester und seinem Dirigenten?

Tarmo Peltokoski kenne ich noch nicht – da bin ich gespannt auf die Zusammenarbeit. Mit dem Orchester habe ich einige Male gespielt, ich kenne auch einige Orchestermitglieder persönlich. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist ein traumhaftes Orchester, gerade für klassisches Repertoire. Das Orchester hat eine hohe Kompetenz auf diesem Gebiet. Es ist sehr lebendig und flexibel. Es wird grossen Spass machen, bei Klosters Music mit diesem Ensemble gemeinsam zu musizieren.

 

Werden Sie das Mozart-Konzert auf der Bassettklarinette spielen, für das dieses Konzert geschrieben ist?

Das habe ich vor. Die Bassettklarinette ist aber ein sehr heikles Instrument – manchmal verändert sich die Polsterung der Klappen, so dass rein technisch Probleme auftreten. Deshalb habe ich für den Notfall auch eine normale A-Klarinette dabei. Aber durch die Bassettklarinette können auch die tiefen Töne des Konzertes im Original gespielt werden, was natürlich einen Unterschied macht. Zu den vielen Klangfarben, die eine Klarinette ohnehin hat, bekommt man mit der Bassettklarinette noch eine dunklen Baritonbereich dazu. Es ist wie ein Kontrabass mit einer fünften Saite.

 

Das Konzert trägt den Titel «Weite Landschaften». Damit ist auch das Adagio aus dem Klarinettenkonzert gemeint, das mit seinen weiten Melodiebögen einen grossen Raum entwirft und als Soundtrack zu dem Film «Out of Africa» weltweit bekannt wurde. Was empfinden Sie, wenn Sie dieses Adagio spielen?

An den Film denke ich nicht, auch weil ich das Stück viel früher kennengelernt habe. Ein konkretes Bild habe ich nicht im Kopf. Aber ich kann mich an eine besondere Open-Air-Aufführung mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn bei den Weilburger Schlosskonzerten in der Abenddämmerung erinnern. Im ersten Satz zwitscherten noch die Vögel und ich machte mir ein wenig Sorgen, ob das im Adagio stören könnte. Aber plötzlich wurde es ganz ruhig, der Himmel dunkelblau, es war mucksmäuschenstill im Publikum. In dieser fast heiligen Stimmung in der besonderen Kulisse dieses Adagio zu spielen, war tief berührend. Diesen Moment werde ich nie vergessen.