Blick von Pany ins Tal
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Die Schöpfung

In unserer Serie «Natur in der Musik» hört Georg Rudiger ein wenig genauer hin. Heute: Joseph Haydns Oratorium «Die Schöpfung»  

Zu Beginn ein Urknall: ein einziger, schneidender Ton im ganzen Orchester, der vom Paukenwirbel zusätzlich gehärtet wird. Dann verstärken gedämpfte Streicher mit Chromatik und Dissonanzen die Verunsicherung. «Die Vorstellung des Chaos» hat Joseph Haydn den effektvollen Beginn seines dreiteiligen Oratoriums «Die Schöpfung» genannt. Die musikalischen Elemente sind versprengt, die Harmonien liegen quer. Die Musik tritt auf der Stelle. «Die Erde war ohne Form und leer, und Finsternis war auf der Fläche der Tiefe», beschreibt der Erzengel Raphael im anschliessenden Rezitativ diesen Zustand. Als der sanft einsetzende Chor mit den Worten «Es werde Licht» Hoffnung verbreitet, sorgt ein strahlender C-Dur-Klang im Fortissimo für plötzliche Erleuchtung.

In den vielen Naturbildern im ersten Teil sind auch Blitze, Donner und Fluten zu hören. In der hochdramatischen Bass-Arie «Rollend in schäumenden Wellen» malen die schnellen Läufe der Streicher das aufgewühlte Meer. Im zweiten Teil des Oratoriums wird die Musik noch konkreter. Ein Triller in tiefer Lage in den Streichern, den Blechbläsern und im Kontrafagott stellt ein Löwenbrüllen dar, den «gelenkigen Tiger» zeichnet Haydn mit aufsteigenden Läufen nach. Den schnellen Hirsch charakterisiert ein federnder Rhythmus, der sich ebenfalls zu einem Sechzehntellauf beschleunigt. Das Naturbild ist dabei immer erst in der Musik zu hören, bevor es im Text des Rezitativs auftaucht. Selbst das Wiehern eines «edlen Rosses» hat Haydn mit einer ruppigen Trillerfigur in den Streichern in Noten gesetzt. Besonders effektvoll gelingt dem Komponisten das Schwirren der Insekten durch das Sul-Ponticello-Spiel der Streicher, wenn der Bogen ganz nah am Steg gestrichen und dadurch ein heiserer Klang erzeugt wird. Schliesslich das «Kriechen des Gewürms»: enge Wechselnoten in tiefer Lage. Der dritte Teil des Oratoriums schildert das glückliche Zusammenleben von Adam und Eva vor der Vertreibung aus dem Paradies und mündet im erhabenen, am Ende überschäumend jubelnden Chor «Singt dem Herren alle Stimmen!».

 


 

Die Schöpfung

Sonntag, 30. Juli 2023, 17:00 Uhr, Konzertsaal, Arena Klosters

Giovanni Antonini (Leitung), Nikola Hillebrand (Sopran), Maximilian Schmitt (Tenor), Florian Bösch (Bariton), Kammerorchester Basel, Chor des Bayerischen Rundfunks

Joseph Haydn («Die Schöpfung», Oratorium in drei Teilen)


 

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In der aktuellen Sommerausgabe von «Musik & Theater» spricht Giovanni Antonini über seine Haydn-Interpretationen und «Die Schöpfung».